Donnerstag, 23. Oktober 2014

"Deutsche Täter sind keine Opfer." Stimmt das?

Käthe Kollwitz: Die Überlebenden (1923). Sind das auch keine Opfer?

Viele Antifaschisten demonstrieren gegen Soldatendenkmäler, Gedenkveranstaltungen der Kriegsgräberfürsorge u. ä. Gruppen mit der Parole: "Deutsche Täter sind keine Opfer." Hier ein Beispiel in Münster (Dreizehner-Denkmal). Ich halte die Proteste gegen viele dieser Denkmäler für richtig, weil sie den Krieg verherrlichen. Die Parole aber halte ich für falsch. Drei Gründe:
  • Wer war alles "deutscher Täter"? Das ist kaum abgrenzbar. Jeder deutsche Mann, der zufällig den Jahrgängen 1899-1930 angehörte und deshalb 1939-1945 als Soldat oder Flakhelfer eingezogen und zwangsverpflichtet wurde? Warum sollte ein Deutscher, der zwangsweise an die Ostfront verfrachtet wurde und dort umgekommen ist, kein Opfer des Krieges sein?
  • Was bringt es politisch, die menschlich-natürliche Trauer von Deutschen um getötete Angehörige auszugrenzen und herabzuwürdigen? Käthe Kollwitz und Kurt Tucholsky haben nach dem I. Weltkrieg die Trauer um getötete deutsche Soldaten gezielt eingesetzt, um gegen einen neuen Krieg zu agitieren. War das falsch? Müssen wir demnächst auch gegen die Denkmäler von Käthe Kollwitz demonstrieren? Dürfen wir Tucholskys Lied "Der Graben" nicht mehr singen, weil darin deutsche mit französischen Soldaten gleichgesetzt werden?
  • Steckt in jener Haltung nicht sogar eine Art von Selektionshochmut, der glaubt, bestimmte Menschenleben und bestimmte menschliche Gefühle pauschal für irrelevant erklären zu können? Eine Haltung, die mir sehr engherzig erscheint und mich sogar ein wenig an die Verbrechermoral derjenigen erinnert, die wir bekämpfen.
Was meinst du, meinen Sie dazu? Hier darf kommentiert werden.

2 Kommentare:

  1. Hallo Jens,

    diese Diskussion gibt es öfter. Warum ich es aber trotzdem für richtig halte.

    Täter sind keine Opfer! Auch keine deuschen bzw. diese sowieso nicht. Das heißt aber nicht im Umkehrschlusss, dass alle Deutschen Täter sind. Damit ist nicht der zwangsrekrutierte Soldat gemeint, der an der Front Kanonenfutter war. Erst Recht nicht der deutsche Kommunist, der im KZ saß. Der Spruch rekuriert daruaf, dass gerne undifferenziert aller Toten gedacht wird, egal ob Täter oder Opfer. Das geht meist einher damit, dass eigentlich alle getöteten Opfer waren.

    In MS wird auch nicht gegen das Erinnern an die Toten demonstriert. Es wird gegen die oben genannte Gleichsetzung von Opfern und Tätern protestiert.

    Grüße

    Jan

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  2. Schmerz und Trauer der Angehörigen über den Verlust eines vertrauten Menschen ist immer zu respektieren. Diesen Respekt bringe ich grundsätzlich auch den persönlichen Gefühlen der Angehörigen umgekommener Täter entgegen. Auch will ich nicht verkennen, dass etliche, die auf Seiten der Nazis gekämpft haben, selbst in gewisser Weise Opfer waren.

    Der Slogan “Deutsche Täter sind keine Opfer” richtet sich für mein Empfinden aber gar nicht gegen die Gefühle von Trauernden oder gegen jugendliche Flakhelfer, die kurz vor Kriegsende von den Nazis verheizt worden sind. Er richtet sich vielmehr gegen jene deutsche Befindlichkeit, nach der die eigenen “schlimmen Jahre“ mit großer Wehleidigkeit beklagt werden, den Leiden der von Wehrmacht und SS Niedergemetzelten aber mit einer geradezu widerwärtigen Mitleidlosigkeit und Ignoranz begegnet wird. Das schlägt sich nicht zuletzt in barer Münze nieder. Während deutsche Angehörige der Vernichtungsapparate ihre “Dienstjahre” problemlos auf ihre Altersversorgung angerechnet bekamen und die Hinterbliebenen ins Jenseits beförderter deutscher Täter, großzügig versorgt wurden, ist der Umgang mit Entschädigungsleistungen für die Opfer der deutschen Gräueltaten an Schäbigkeit nicht zu überbieten. Bundespräsident Gauck besucht gerne Länder, die von Wehrmacht und SS heimgesucht wurden. Dort gibt er moralische Schuldbekenntnisse ab, umarmt andere Würdenträger in klebriger Weise und spricht viel von Versöhnung und Mut zur Zukunft. Rentenansprüche für die Opfer der Nazis und Reparationszahlungen lehnt er dagegen im Gleichklang mit der Bundesregierung und ganz im Sinne der deutschen Mehrheitsgesellschaft strikt ab.

    Angesichts solcher perfider Heuchelei ist es Aufgabe von uns Antifaschisten immer wieder daran zu erinnern, wer den verbrecherischen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat und jede Relativierung von Tätern und Opfern zurückzuweisen. Der Slogan “Deutsche Täter sind keine Opfer” mag dem Wortsinn nach nicht ganz korrekt sein. Er ist aber ein vorzügliches Gegengift gegen die Selbstgefälligkeit und Boshaftigkeit deutscher Geschichtsklitterung.

    Solidarische Grüße

    Uwe








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Danke für den Kommentar! Ich schaue ihn mir in Kürze an und schalte ihn frei, wenn er zum Thema passt.
Freundliche Grüße
Jens J. Korff